Die Story ist nicht neu, aber ich möchte gerne das Tube-Verbot in der Kasseler DAV Kletterhalle aus der aktuellen Sicht diskutieren. Aus dem Grund habe ich in diesem Artikel nochmal die Gründe und die Kritikpunkte zu dem Thema zusammen gefasst: Der Tuber wurde als Sicherungsgerät in der Kletterhalle in Kassel (DAV Kletterzentrum – in der Vertical World kann man weiterhin mit dem Gerät seiner Wahl sichern) verboten, da es zu einem schweren Unfall im Kletterzentrum kam, bei dem der Sichernde ein Tube falsch verwendet hat. In Kassel kam es allerdings auch vorher und nachher zu Unfällen, bei denen es glimpflich ausging, so dass keine Berichterstattung erfolgte. Da ich dort aber mehrmals die Woche klettere, habe ich dies mitbekommen. Aus dem Grund war die „Reizschwelle“ der Leitung vermutlich schon sehr niedrig.

Kletterhalle Kassel Tube Verbot

In der DAV Kletterhalle in Kassel wurde nach einem schweren Kletterunfall ein Tube-Verbot verhängt.

Warum das Tuber-Verbot im DAV Kletterzentrum Kassel?

Die offizielle Begründung wurde in Form von Handzetteln, Aushängen und als PDF (hier zu finden) geliefert. Darin heißt es:

Diese Maßnahme resultiert aus zwei Faktoren: der zu nehmenden Anzahl von Tube-Unfällen in unserer wie auch anderen Hallen und aus der Tatsache, dass auch in einschlägigen Fachpublikationen und Untersuchungen zu den verschiedenen Sicherungsgeräten immer mehr Bedenken gegenüber der Funktionsweise der Tube geäußert wurden.
[…]

Es ist völlig richtig, dass bei korrekter Bedienung (Handhaltung der Bremshand nach unten) ausreichend Bremswirkung vorhanden ist, um auch harte Stürze zu bremsen. Aber eben nur dann. Um Seil ein- oder auszugeben, muss diese sichere Handposition zwangsläufig verlassen werden. D.h.: die gewünschte Sicherungswirkung wird immer wieder für einen mehr oder weniger kurzen Zeitraum außer Kraft gesetzt. Wenn in diesem Moment ein für den Sichernden überraschender Sturz erfolgt, besteht das Risiko, dass es nicht mehr gelingt, die Bremshand schnell genug unter das Gerät zu bekommen. Ein Halten ist nicht mehr möglich und der Bodensturz damit programmiert.

Neben diesen Ausführungen wird auch darauf hingewiesen, dass der Tuber nicht mehr dem aktuellen Stand der Sicherheitstechnik entspricht (Quelle sei: Zeitschrift „bergundsteigen“ 3/2014, S. 87 (Hg.: DAV, SAC, OeAV und Südtiroler Alpenverein).

Eingriff in die Selbstverantwortung der Kletterer

Bei den Diskussionen, die ich unter den Kletterern mitbekommen habe, wurde weniger in Frage gestellt, ob Sicherungsgeräte wie Smart oder Grigri tatsächlich „besser“ seien. Viel häufiger kam die Diskussion auf die Selbstverantwortung, die jeder Kletterer hat, denn schließlich ist man „draussen“ auch mit Tuber unterwegs und da ist es ok. Die Argumentation der Hallenbetreiber ist aber, dass man in der Halle – gerade wenn es voll ist – auch eine Gefährung für die anderen Hallenbesucher ist.

Man muss nicht unbedingt einen Sturz von ganz oben hinlegen, um einen anderen Kletterer zu verletzen. Schon ein Sturz aus 3-4 Metern Höhe kann – wenn man auf eine andere Person fällt – Mitkletterern massive Verletzungen zu fügen. Um dieses Risiko zu minimieren, wird in der Kasseler DAV Kletterhalle Wert auf das Sichern mit Halbautomaten gelegt. Der „Eingriff in die Selbstverantwortung“ wird dabei bewußt in Kauf genommen.

Sinnvolles Verbot oder sinnfreier Aktionismus

Die Diskussion über den Sinn des Verbots ist gerade am Anfang recht „feurig“ geführt worden. Ich persönlich hatte schon vor dem Verbot zum Smart als Sicherungsgerät gewechselt, weil es einfach ein angenehmeres Sichern gestattet. Ebenso ist der Sicherheitsaspekt definitiv gegeben. Ich persönlich habe in der Zeit nach dem Verbot noch einige heikle Situationen gesehen, die mit einem Tuber sicher weniger glimpflich ausgegangen wären.

Ich bin den Tube über Jahre gewohnt gewesen, aber hatte trotz einiger Stürze von Seilpartnern bisher keinen Unfall oder Grounder miterlebt. Trotzdem finde ich die Umstellung von Tube auf Grigri auf einen Halbautomaten wie „Smart“ oder „Click up“ sinnvoll. Gerade für Anfänger sind diese Geräte weniger gefährlich, da sehr größere Fehlbedienungen eher „verzeihen“.

Ein Grigri, welches die Kletterhalle ebenfalls für Anfänger empfiehlt, würde ich vorsichtiger mit dem Empfehlung sein. Das Grigri ist beim Sichern von Vorstieg oder Toprope sehr gut, aber einige Unfälle passierten in der Vergangenheit beim Ablassen, da die Sichernden beim Herunterlassen des Seilpartners in Panik gerieten und statt den Hebel zu lockern, noch fester an ihm gezogen haben. Dadurch wurde das Ablassen noch weniger gebremst und der Kletterpartner kam quasi ungebremst unten an. Beim Grigri 2 wurde dies etwas entschärft, indem es beim starken Ziehen am Hebel irgendwann auch wieder bremst, aber in wie weit dies vor Unfällen in der Praxis schützt, kann ich schwer beurteilen.

Tube Verbot Schild

Wir dürfen hier nicht rein: Tuber sind in der DAV Halle in Kassel nicht gern gesehen – fairerweise sollte man aber auch Achter verbieten (Grafik: Jens Kleinholz).

Tube verboten und Achter erlaubt???

Was mir ebenfalls aufgefallen ist: In der DAV Halle wird der Tube verboten, aber das Sichern mit einem Achter ist scheinbar erlaubt jedenfalls habe ich schon mehrfach Seilschaften mit Achtern sichern sehen, ohne dass jemand vom Personal eingeschritten wäre. Vom Standpunkt der Sicherheit ist das Sichern mit einer Acht vermutlich noch bedenklicher als ein Tuber, denn die Reibung, die eine Acht beim Sichern produziert, ist so gering, dass man als Sichernder sehr stark „zupacken“ muss, wenn jemand stürzt. Wenn man ein Tube verbietet, sollte man aus meiner Sicht auch konsequent sein und Sichern mit der Acht verbieten.

Was mir auch aufgefallen ist: Es geht relativ selten jemand vom Personal durch die Halle und schaut nach Sicherungsfehlern. Natürlich kann man nicht dauerhaft jemanden in der Halle dafür „abstellen“, aber ich würde erwarten, dass vielleicht einmal pro Stunde jemand durch die Halle geht und sich anschaut, wie die Kletterer sichern. Damit hätte man gewiss auch schon einige „Risikogruppen“ für potentielle Grounder ausgeschlossen.